Der Mut zum Ungehorsam
Albert Battel
Albert Battel kam in Klein-Pramsen zur Welt. Als 51jähriger Reserveoffizier und Rechtsanwalt aus Breslau, Schlesien (heute Wrocław) war Dr. Battel als Adjutant des örtlichen Militärkommandanten, Major Max Liedtke, in Przemyśl im Süden Polens stationiert. Als die SS am 26. Juli 1942 im Begriff war, ihre erste großangelegte „Aktion“ gegen die Juden von Przemyśl zu starten, gab Battel gemeinsam mit seinem Vorgesetzten den Befehl, die Brücke über den Fluss San, den einzigen Zugang zum Ghetto, zu blockieren. Als das SS-Kommando versuchte, auf die andere Seite zu gelangen, drohte der Stabsfeldwebel, der für die Brücke verantwortlich war, das Feuer zu eröffnen, falls sie sich nicht zurückzögen. Dies geschah am hellichten Tag zur Verwunderung der Ortsbevölkerung. Später am selben Nachmittag drang eine Militäreinheit in das abgeriegelte Ghetto ein und verwendete Lastwagen der Wehrmacht, um bis zu hundert Juden mit ihren Familien zur Kaserne der lokalen Militärkommandantur zu bringen. Diese Juden wurden unter den Schutz der Wehrmacht gestellt und damit vor der Deportation ins Vernichtungslager Bełżec geschützt. Die übrigen Insassen des Ghettos, einschließlich des Vorsitzenden des Judenrats, Dr. Duldig, wurden in den nächsten Tagen „umgesiedelt“. Nach diesem Zwischenfall nahmen die SS-Behörden eine geheime Untersuchung auf, um dem unverschämten Benehmen des Offiziers auf den Grund zu gehen, der es gewagt hatte, ihnen unter so peinlichen Umständen die Stirn zu bieten. Es stellte sich heraus, dass Battel, obwohl er seit Mai 1933 Mitglied der NSDAP war, bereits in der Vergangenheit durch sein freundliches Verhalten gegenüber Juden Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Vor dem Krieg war er von einem Parteitribunal angeklagt worden, weil er einem jüdischen Kollegen ein Darlehnen gegeben hatte. Später, im Laufe seines Dienstes in Przemyśl , wurde er offiziell dafür gerügt, dass er Dr. Duldig (den er als früheren Freund von der Universität Wien wiedererkannt hatte) herzlich die Hand geschüttelt hatte. Der Zwischenfall kam der obersten Riege der Nazi-Hierarchie zu Ohren. Kein Geringerer als Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS, zeigte lebhaftes Interesse an den Ergebnissen der Untersuchung und schickte Fotokopien der belastenden Dokumente an Martin Bormann, den Chef der Parteikanzlei und Hitlers rechte Hand. In dem Begleitbrief schwor Himmler, einer der gefürchtetsten Männer des Dritten Reiches, den Rechtsanwalt sofort nach Kriegsende festnehmen zu lassen. Von alledem wusste Battel nichts. 1944 wurde er wegen eines Herzleidens aus dem Militärdienst entlassen. Er kehrte in seine Heimatstadt Breslau zurück, wo er in den Volkssturm eingezogen wurde und in russische Gefangenschaft geriet. Nach seiner Befreiung siedelte er sich in West-Deutschland an, wurde aber von einem Entnazifierungsgericht davon abgehalten, seine Anwaltskanzlei wieder aufzunehmen. Er starb 1952 in Hattersheim bei Frankfurt.
Am 22. Januar 1981 wurde Albert Battel von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern anerkannt.