Franz Orgler

Franz Orgler war ein deutsch-jüdischer Leichtathlet, Gewinner von sechs Gold- und zwei Silbermedaillen im 400m- und 800m-Lauf bei den Makkabi-Meisterschaften, die in den Jahren 1934-1937 in Deutschland stattfanden. Orgler war zudem Mitglied der deutschen Mannschaft, die 1936 an den Olympischen Spielen in Berlin teilnehmen sollte, wurde aber aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus der Mannschaft ausgeschlossen. Ein Jahr später floh er aus Deutschland nach Schweden, wo er seine sportliche Karriere fortsetzte. Er starb 2015 im Alter von 100 Jahren in Schweden.

Franz Jacob Orgler wurde 1914 im heutigen Wuppertaler Stadtteil Barmen geboren. Er wuchs in einem liberalen Haushalt auf. Sein Vater Kurt war ein bekannter Jurist und von 1931 an bis zu seiner Schließung Leiter der Wuppertaler Jüdischen Gemeinde. Franz war das einzige jüdische Mitglied des städtischen Sportvereins „Schwarz-Weiß-Barmen“. 1933 trat er dem jüdischen Sportverein „Hakoach" Köln bei und fuhr regelmäßig zum Training nach Köln.

Franz lief die 400m und 800m bei den Deutschen Jugendmeisterschaften und wurde mit der Goldenen Ehrennadel der Deutschen Sportbehörde ausgezeichnet. In der Jüdischen Rundschau schrieb man 1933 über ihn:

„Stellt man die Frage nach der effektiv größten Jahresleistung, so muß diese dem 18jährigen Franz Orgler (Hakoah Köln) zuerkannt werden. Als einziger jüdischer Sportler nahm er an dem Olympia-Vorbereitungskurs der Deutschen Sportbehörde teil, wobei er sich in einem 800-m-Prüfungslauf in Duisburg als Bester erwies."

Im Oktober 1933 trat Orgler einem Makkabiverein bei. Er zog den Verein der zionistischen Bewegung denen mit deutschnationaler Ausrichtung vor, nicht so sehr aus ideologischen Gründen, sondern aus pragmatischen Erwägungen: Die Makkabi-Läufer waren für ihr hohes sportliches Niveau bekannt und garantierten Orgler eine größere Herausforderung und bessere Trainingsmöglichkeit.

Im März 1934 wurde Franz Orgler ins Trainingslager der deutschen Olympiamannschaft eingeladen, wonach er als Mitglied der deutschen Mannschaft für die Olympischen Spiele in Berlin aufgenommen wurde. Die Nazi-Behörden erlaubten ihm die Mitgliedschaft im Team, obwohl er Jude war. Dies war ein Kompromiss, den sie gegenüber dem Internationalen Sportverband machen mussten, um Toleranz gegenüber Juden auszudrücken, eine Geste der Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Olympischen Spiele. Franz trat im Laufe des Jahres nicht nur über 800m, sondern auch über 100, 400 und 1000m an und wurde Deutscher Makkabi-Meister über die 400m- und 800m-Strecke.

Im Alter von 21 Jahren hatte Franz die Möglichkeit, als Teil der deutschen Makkabimannschaft an der II. Makkabiah 1935 in Tel Aviv teilzunehmen. Er wurde von seinem Trainer Pfeifer gewarnt, dass er im Falle einer Teilnahme nicht mehr Mitglied im Verein „Schwarz-Weiß-Barmen" bleiben könne. Franz beschloss dennoch anzutreten und wurde aus dem Verein ausgeschlossen.

Seine Teilnahme an der Makkabiah drückte eine klare Zugehörigkeit zum Judentum aus. Doch in jedem Falle wäre die Beendigung seiner Vereinsmitgliedschaft vermutlich innerhalb weniger Monate erfolgt, da zu dieser Zeit jüdische Sportler zunehmend aus den deutschen Vereinen gestoßen wurden. Tatsächlich wurde Orgler innerhalb kurzer Zeit auch von der deutschen Olympiamannschaft ausgeschlossen.

Als Reaktion auf die sich verschlechternde Rechtsstellung der deutschen Juden und ihre zunehmende Isolation wurde Orgler zu einem der Gründer des Wuppertaler Sportvereins „Hakoach". Dort musste er aus Trainermangel sein eigenenes Trainingsprogramm schreiben. Außerdem lag die Laufstrecke des Vereins weit vom Stadtzentrum entfernt. Trotz der schwierigen Trainingsbedingungen, errang er für seinen neuen Verein zahlreiche Siege. Er war Deutscher Makkabimeister über 800m in den Jahren 1934-1937 und kurzzeitig auch über 400m.

Während der Berliner Olympiade 1936 gab es eine große ausländische Pressepräsenz, und die antijüdische Propaganda beruhigte sich kurzzeitig. Nach den Olympischen Spielen verschlimmerte sich jedoch die Situation der Juden erneut. Im Mai 1937 floh Orgler nach Schweden. Seine Schwester Eva war bereits 1933 nach Italien gezogen. 1939 flüchteten seine beiden anderen Geschwister: seine Schwester Mary-Louise nach Großbritannien und sein Bruder Hans Joachim ebenfalls nach Schweden.

In Schweden angekommen, nahm Orgler an einem Hachshara-Programm teil, um sich auf die Einwanderung nach Eretz Israel (Britisches Mandatspalästina) vorzubereiten. Kurzzeitig kehrte er im August 1937 nach Deutschland zurück, um an den Berliner Makkabi-Spielen teilzunehmen. Er gewann die Goldmedaille über 800m und die Silbermedaille über 400m und schaffte es trotz der Hindernisse, die ihm von der deutschen Polizei in den Weg gelegt wurden, nach Schweden zurückzukehren. Neben seiner Teilnahme am Hachshara-Programm nahm er weiterhin an Wettkämpfen teil und erzielte auch dort Erfolge. 1937 erreichte er die besten Makkabi-Zeiten über die 400m und 800m-Strecke und hielt die Führung über die 400m im Jahr 1938 mit einer Zeit von 50,6 Sekunden.

Als Orglers Aufenthaltserlaubnis ablief und er nach Dänemark ausgewiesen werden sollte, kam ihm sein Leichtathletikverein „Hörby" zu Hilfe und half ihm, in Schweden zu bleiben. Andere Sportler, die nach Dänemark ausreisen mussten, wurden nach dem Einmarsch der Nazis in Dänemark gefasst und schließlich deportiert und ermordet. Orgler selbst wurde Sportkoordinator von Makkabi Stockholm. 1946 stellte der 31-jährige Orgler den Weltrekord von Makkabi von 4:01:4 Minuten über 1500m auf. 1947, nach zehnjährigem Aufenthalt in Schweden, erhielt Orgler die schwedische Staatsbürgerschaft und diente in der schwedischen Armee, wobei er seinen Namen von Franz in Frans änderte.

Am 20. Juli 1942 wurden Orglers Eltern Kurt und Adele festgenommen. Sie wurden nach Düsseldorf gebracht und am nächsten Tag in das Ghetto Theresienstadt geschickt. Am 28. Oktober 1944 wurden Kurt und Adele nach Auschwitz deportiert. Keiner von ihnen hat überlebt.

Franz-Frans Orgler starb 2015 im Alter von 100 Jahren in Schweden.