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Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.

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Deutschsprachige Filme im Visual Center, Yad Vashem: Eine Einführung

  1. Menschliches Versagen (2008), Sentana Filmproduktion, http://www.sentana.de/.
  2. Uri Klein: The Crime of the Simple Man, in: mouse.co.il, 15. Juli 2009. http://www.mouse.co.il/CM.articles_item,1019,209,38133,.aspx.
  3. Der Unbekannte Soldat (2006), Koproduktion: Koproduktion: ARTE, Bayerischer Rundfunk (BR), Eikon Media GmbH, Kinowelt International. http://www.kinowelt-international.de . 
  4. Cabaret-Berlin, la scène sauvage (2010), Koproduktion: AVRO und Bel Air Media. http://www.avro.tv/collection, http://www.belairmedia.com/.
  5. The International Jerusalem Film Festival 2010.
  6. [6] Wunderkinder (2011), Koproduktion der ARD Degeto Film und CCC-Filmkunst. http://www.degeto.de/ und http://www.ccc-film.de/.
  7. Im Himmel, unter der Erde Der jüdische Friedhof Weissensee (2011), Salzgeber & Co Medien GmbH. http://www.salzgeber.de/. 
  8. David DeWitt: The Life Cycles of a Jewish Cemetery, in: The New York Times, November 17, 2011. http://www.nytimes.com/2011/11/18/movies/in-heaven-underground-the-weissensee-jewish-cemetery-review.html?_r=0.
  9. Berlin Diary – A Letter To My Grandparents (2006), Hochschule für Bildende Künste Hamburg. http://www.hfbk-hamburg.de/.
  10. Ein Apartment in Berlin (2013), Ruth Diskin - Marketing & Distribution Ltd. http://www.ruthfilms.com/about/.
  11. Ima (2001), Koproduktion: arte/ZD, Deckert Distribution, http://deckert-distribution.com/ .
  12. Georg (2008), produziert im Auftrag von arte/ZDF, Deckert Distribution, http://deckert-distribution.com/.
  13. Was bleibt (2008), Koproduktion der Silvia Loinjak Filmproduktion und der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. http://www.loinjak-film.de/ und http://www.filmuniversitaet.de/.
  14. Zitra (Tomorrow): Of Truth and Reconciliation (2009), JMT Films. http://www.jmtfilms.com/.
  15. Max Raabe in Israel (2012), Little Shark Entertainment GmbH. http://www.littleshark.de/.
  16. Harlan – im Schatten von Jud Süß (2008), Koproduktion: Blueprint Film, Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Norddeutscher Rundfunk (NDR). http://blueprintfilm.de/.
  17. Verbotene Filme (2014), Salzgeber & Co Medien GmbH. http://www.salzgeber.de/. 
  18. Heimat (1984), Edgar Reitz Film (ERF), Sender Freies Berlin (SFB), Westdeutscher Rundfunk. www.edgar-reitz.de/, www.sfb-berlin.de/ und www.wdr.de/. 
  19. Die Blechtrommel (1979), Koproduktion: Argos Films, Artémis Productions, Bioskop Film. www.argofilms.com/, www.artemisproductions.com/ und www.bioskop.de/. 
  20. Deutschland, bleiche Mutter (1980), Koproduktion: Helma Sanders-Brahms Filmproduktion, Literarisches Colloquium, Westdeutscher Rundfunk. www.lcb.de/ und www.wdr.de/.

Liat Benhabib

Unsere Sammlung, die heute mehr als 9.000 Filme aus aller Welt und aus den verschiedensten Genres umfasst, beinhaltet auch etwa 1.700 Filme, die in Deutschland produziert wurden oder an denen Deutschland als Koproduzent beteiligt war. Addiert man die Filme aus der früheren Bundesrepublik (67 Filme) und der ehemaligen DDR (98 Filme) dazu, so fällt die Zahl noch höher aus. Die Zahl der deutschen Produktionen, so lässt sich unserer Datenbank entnehmen, übersteigt deutlich die Zahl der französischen (610), britischen (1.080) und amerikanischen (1.509) Filme. Es wird jedoch kaum verwundern, dass Israel, mit mehr als 3.100 Filmen zum Thema Holocaust, eine Vorreiterrolle in der Produktion einnimmt.

Meines Erachtens findet jeder Film sein Publikum, aber es gibt einige deutsche Filme bzw. Produktionen zu spezifisch „deutschen“ Themen, die insbesondere für ein deutsches Publikum und für Wissenschaftler aus Deutschland von Interesse sind.

Seit neun Jahren wird jährlich beim Internationalen Jerusalemer Film Festival der Avner Shalev Yad Vashem Chairman's Award verliehen. Mit diesem Filmpreis, der Dank der großzügigen Unterstützung von Michaela und Leon Constantiner ins Leben gerufen wurde, werden künstlerisch herausragende Filme ausgezeichnet, die sich mit dem Thema Holocaust auseinandersetzen. Einige Preisträger sollen im Folgenden hervorgehoben werden:

Michael Verhoeven, bekannt durch den Film Das schreckliche Mädchen (1990), erhielt die Auszeichnung im Jahr 2009 für seinen Film Menschliches Versagen (2008).1 Der Film wurde außerdem mit dem BAFTA Award ausgezeichnet, erhielt auf der Berlinale den Silbernen Bären, sowie eine Oskarnominierung als bester fremdsprachiger Film. Thematisiert wird „das menschliche Versagen, dem sich das gesamte deutsche Volk zu dieser Zeit schuldig machte“.2 Zwei Jahre zuvor hatte sich Verhoeven bereits in seiner Dokumentation Der Unbekannte Soldat3mit einem ähnlichen Thema auseinandergesetzt.

Wie bereits in vorherigen Filmen, war der Ausgangspunkt für Verhoevens Dokumentation Menschliches Versagen eine historische Ausstellung. Diesmal ging es um den präzise dokumentierten Vorgang der Enteignung von jüdischem Besitz, aus dem ganz normale deutsche Bürger in NS-Deutschland gute Gewinne erzielen konnten. Die Enthüllungen des Films zum Verhalten von ganz normalen Bürgern in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs werfen schmerzliche Fragen zu Schuld und Opportunimus in Kriegszeiten auf.

Im Jahre 2010 wurde die deutsch-französische Koproduktion Cabaret Berlin la scène sauvage4 von Fabienne Rousso-Lenoir mit dem Avner Shalev Yad Vashem Chairman's Award ausgezeichnet. Die Regisseurin nimmt die Berliner Kabarett-Szene der 20er Jahre in den Blick, indem sie akustisches und visuelles Archivmaterial kunstvoll miteinander kombiniert. Viele kreative Künstler – unter ihnen zahlreiche Juden – ließen damals eine satirische Welt aus Worten und Musik auferstehen, in der die Ereignisse in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg widergespiegelt werden. Die Jury bezeichnete den Film als „interessantes, zeitgenössisches und unkonventionelles Kino“5. Cabaret Berlin wurde daraufhin in Israel ausgestrahlt und trotz der Herausforderungen, die der Film an den Zuschauer stellt, sehr positiv vom hiesigen Publikum aufgenommen.

2011 gab es zwei deutsche Gewinner: Ein Award ging an Marcus O. Rosenmüller, den Regisseur des Films Wunderkinder[6]. Dieser Film, produziert von Vater und Tochter, Artur und Dr. Alice Brauner, erzählt die Geschichte von drei befreundeten Kindern: Hannah, einer Deutschen, sowie Larissa und Abrascha, zwei jüdischen Kindern aus der Ukraine. Die drei sind beste Freunde – und allesamt virtuose Musiker. Anfang der 40er-Jahre leben sie in Poltawa, Ukraine. Als der Krieg beginnt, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Die jungen Musiker sehen nur einen einzigen Ausweg: sich gegenseitig zu unterstützen und mithilfe ihrer musikalischen Begabung die Welt der Erwachsenen zu besiegen. Bei der Preisverleihung sagte Alice Brauner: „Ich fühle mich verpflichtet, die Mission meines Vaters fortzusetzen und nicht nur Unterhaltungsfilme zu produzieren, sondern auch Filme, die den Opfern des Holocaust gewidmet sind. Ich verstehe diesen Preis als Anerkennung unseres jahrzehntelangen Engagements in diesem Bereich und so sind wir, die Produzenten, der Regisseur und das ganze CCC Filmkunst-Team zutiefst dankbar für die Wertschätzung unserer Arbeit.“

Im selben Jahr entschied die Jury, der Regisseurin Britta Wauer eine Sonderauszeichnung zu verleihen, und zwar für ihren Dokumentarfilm Im Himmel, unter der Erde - Der jüdische Friedhof Weißensee7– eine faszinierende Dokumentation über den berühmten Friedhof, die das jüdische Leben der letzten zweihundert Jahre in all seiner Vielfalt aufzeigt. Weißensee ist der größte jüdische Friedhof Europas, der noch heute genutzt wird. Dieses feinfühlige und nachdenkliche Portrait der letzten Ruhestätte der jüdischen Gemeinde von Berlin nimmt das Publikum mit auf einen Spaziergang durch die Geschichte und gibt den Blick frei auf berühmte Künstler, Philosophen, Richter, Architekten, Ärzte, Rabbiner und Verleger. In der New York Times wurde dieser Film als „poetisches und exquisites Kino“ bezeichnet.8

Unsere digitale Filmsammlung umfasst jedoch nicht nur die neuesten Filme. Auch Klassiker sowie Filme, die nur selten zu sehen sind, können hier angesehen werden. So verfügt das Visual Center zum Beispiel über 34 Filme der DEFA (Deutsche Film Aktiengesellschaft), der offiziellen, ostdeutschen Filmgesellschaft, die in den Jahren 1942-1992 für Filmproduktionen in der DDR verantwortlich war. Trotz des beachtlichen Umfangs der DEFA Film Sammlung (über 7.500 Filme!), und trotz ihrer großen Bandbreite und der gewagten Versuche, die Grenzen der Zensur auszuloten, ist die DEFA unter Filmliebhabern weltweit weitgehend unbekannt.

Das Visual Center hat sich an einer DEFA Retrospektive in Israel beteiligt, bei der drei Filme gezeigt wurden, die für den Academy Award nominiert waren: Jakob der Lügner (Frank Beyer, 1975), Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte, 1946) und Das zweite Gleis (Joachim Kunert, 1962). Außerdem sind deutsche Klassiker Bestandteil unserer Sammlung, so zum Beipiel der Kultfilm von Fritz Lang Das Testament des Dr. Mabuse (1933), eine Fortsetzung seines epischen Meisterwerkes Dr. Mabuse, der Spieler (1922), das ebenso zu unseren Schätzen zählt. Obwohl Das Testament des Dr. Mabuse zeitlich mit der Machtübernahme Hitlers zusammenfällt, transportiert Lang in der Figur des verachteten Schwerverbrechers, der in eine Irrenanstalt eingeliefert wird, seine gegen den Nationalsozialismus gerichtete Botschaft. Der letzte Film innerhalb der Trilogie ist Die 1000 Augen des Dr. Mabuse aus dem Jahre 1960. Die ersten beiden Filme hatte Lang vor dem Zweiten Weltkrieg gedreht. Während des Krieges floh er in die USA, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte, um Parteimitglied zu werden, und nachdem Goebbels – der die letzte Filmrolle des Testament des Dr. Mabuse zensiert hatte – ihn als Propagandist anwerben wollte. Jahre später, auf die Bitten Artur Brauners hin, kehrte Lang nach Deutschland zurück und wandte sich wieder der monströsen Figur des Dr. Mabuse und dessen paranoiden Visionen zu: Der dritte Teil zeigt spiritistische Sitzungen, Mordanschläge, Überwachungseinrichtungen und psychodelische Halluzinationen während der Nazizeit. Andere Filme von Fritz Lang, die während seines Exils in Amerika entstanden, befinden sich in unserer Sammlung – so zum Beispiel Menschenjagd (1941), Ministerium der Angst (1944) oder Im Geheimdienst (1946).

Am anderen Ende des Spektrums finden sich Kurzfilme, private Filme und studentische Produktionen, die aktuelle Belange indirekt ansprechen. Berlin Diary – A Letter To My Grandparents9 aus dem Jahre 2005 ist ein Kurz-Dokumentarfilm von Ester Amrami, den die spätere Studentin der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF für einen Wettbewerb der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und des Goethe Instituts zum Thema „Gesten der Versöhnung“ gedreht hatte. Der Film thematisiert das Leben einer jungen Israelin in Berlin. Die Geschichte wird in Form einer Videobotschaft an ihre Großeltern erzählt, denen nach dem Novemberpogrom 1938 die Flucht von NS-Deutschland nach Israel gelungen war. Amrami filmte ein Gespräch ihrer Großeltern in deren Tel Aviver Wohnung über ihr Leben im Deutschland der dreißiger Jahre. Sich selbst zeigt sie in ihrer Berliner Wohnung, beschäftigt mit ihren Bemühungen, an der Filmuniversität aufgenommen zu werden. Der Film porträtiert ihre Freunde und ihre Beziehungen untereinander, als Deutsche der dritten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Dokumentarfilm Ein Apartment in Berlin10 von Alice Agneskirchner aus dem Jahre 2011 behandelt ebenfalls das Leben junger Israelis in Berlin. Angezogen von der weltoffenen, internationalen Atmosphäre, den geringen Lebenshaltungskosten und der guten Infrastruktur in Berlin, entscheiden sich drei junge Israelis drei Generationen nach dem Holocaust, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. Sie rekonstruieren das Leben der jüdischen Familie Adler aus Berlin, die letztlich nach Auschwitz verschleppt wurde, indem sie die Wohnung, welche die Famile einst besessen hatte, wieder einrichten.

Caterina Klusemann ist eine deutsche Regisseurin, die in ihren Filmen ihre eigene Familiengeschichte verarbeitet. Ima11, aus dem Jahre 2001, thematisiert Klusemanns Kampf um die Enthüllung der Geheimnisse, die das Überleben ihrer Großmutter während des Holocausts umgeben. Die Regisseurin beschreibt, wie die Geheimnisse um die Identität ihrer Großmutter die zwei nachfolgenden Generationen von Frauen beeinflussten. Am Ende steht eine dritte Generation, die durch ihre persönlichen Nachforschungen zu ihren kulturellen und historischen Wurzeln bis nach Italien, Venezuela, die Vereinigten Staaten und Polen gelangen. Klusemann wurde 1973 als Tochter des deutschen Malers Georg Klusemann und der Soziologin und Fotografin Elena Hochmann-Klusemann in Italien geboren. Caterina wuchs in Deutschland und in Venezuela zusammen mit ihrer Großmutter, Mutter und Schwester auf. Ihr folgender Film Georg (2007)12 stellt Klusemanns Bestreben dar, die Geschichte ihres verlorenen Vaters zu erzählen, die Geschichte von Georg Klusemann, einem deutschen Künstler. Dies ist eine Geschichte der Illusionen und der Sehnsucht, einer Liebe, die zwei Welten verbindet. Es ist die Geschichte eines tragischen Zusammenbruchs der Ideale angesichts der Alltagsrealität und einer Vergangenheit, die einen immer wieder einholt. Caterina Klusemann arbeitet gegenwärtig am letzten Kapitel ihrer Trilogie, das nächstes Jahr in Deutschland erscheinen soll.

In ihrem Film Was bleibt[13] aus dem Jahr 2008 machten sich die beiden deutschen Regisseurinnen Gesa Knolle und Birthe Templin daran, den Einfluss der Nazivergangenheit auf die Folgegenerationen zu untersuchen, wobei sie ihren Fokus ausschließlich auf die weiblichen Mitglieder zweier Familien richteten: die eine wurde während der NS-Zeit zum Opfer, die andere zum Täter. Als die 17-jährige Erna von Auschwitz nach Ravensbrück transportiert wurde, sah sie ihre Mutter zum letzten Mal. Heute sehen ihre Tochter Ruth und ihre Enkeltochter es als die Aufgabe der Familie an, Ernas Geschichte weiter zu erzählen.

Dietlinde erfährt erst als Teenagerin, dass ihre Mutter, die 1945 ums Leben kam, KZ-Aufseherin gewesen war. Bis zum heutigen Tag versucht sie herauszufinden, was für eine Art von Mensch ihre Mutter war. Der Film befasst sich mit der Frage nach der Übertragung von Opfererfahrungen und Leid das von Generation zu Generation weitergegeben wird und konfrontiert das Publikum mit seinen eigenen Stereotypen und Vorurteilen.

Zitra (Tomorrow): Of Truth and Reconciliation14, ein Musik-Dokumentarfilm des Regisseurs und Wissenschaftlers Prof. Judd Ne'eman aus dem Jahr 2008, begleitet eine Gruppe junger deutscher und israelischer Musiker und Schauspieler, die an einer Gemeinschaftsproduktion auf Deutsch und Hebräisch arbeiten. Das Bühnenstück basiert auf den Erinnerungen der Holocaustüberlebenden Manka Alter, der Frontsängerin des Ghetto-Kabaretts in Theresienstadt. Ihre Erinnerungen, die von den jungen Künstlern auf der Bühne umgesetzt werden, werfen Fragen nach Wahrheit und Versöhnung auf. Historische Szenen der Proben und Aufführungen des Kabaretts werden verwoben mit Nachstellungen einzelner Szenen auf den Straßen von Schwerin und Berlin.

Bei dem Film Max Raabe in Israel15 handelt es sich um eine Dokumentation aus dem Jahr 2012 von Brigitte Bertele und Julia Willman. Die Regisseurinnen begleiteten den populären Berliner Sänger Max Raabe und sein Palast Orchester auf ihrer Tour „Heute Nacht oder nie“ nach Israel. Raabe reinterpretiert in seiner Show deutsche Hits der zwanziger und dreißiger Jahre, darunter Stücke von Berühmtheiten wie den Comedian Harmonists, Marlene Dietrich, Friedrich Holländer und anderen. Die Resonanz in Israel war überwältigend. Der Film zeigt einerseits, wie Raabe und seine Band auf sehr umsichtige Art und Weise mit ihrem emotional aufwühlenden und politisch aufgeladenen Abenteuer umgehen, bezieht aber auch die individuellen Geschichten von Konzertbesuchern und deren Verhältnis zu Deutschland mit ein.

Welche spezifischen Auswirkungen der Holocaust auf die zweite und dritte Generation hat, wird vom Regisseur Felix Moeller untersucht. Harlan – im Schatten von Jud Süß16, ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 2008, ist eine Biographie Veit Harlans, des erfolgreichsten deutschen Filmregisseurs des Dritten Reichs. Die Dokumentation verbindet Ausschnitte aus Veit Harlans Filmen mit Filmmaterial aus dem Privatarchiv der Familie Harlan, das erst vor kurzem freigegeben wurde. Moeller zeigt mit seinem Film, wie Harlans Familie – einschließlich der jüngsten Generation – bis heute mit dem dunklen Kapitel des künstlerischen Moralbruchs und Harlans Instrumentalisierung von Kunst im Dienst des NS-Regimes zu kämpfen hat. Mehr als eine Million Zuschauer lockten Harlans Filme in ganz Europa ins Kino – den antisemitischen Propagandafilm Jud Süß mit eingeschlossen. Harlan, so begabt er auch war, ist ohne Zweifel neben Leni Riefenstahl einer der problematischsten Figuren der NS-Filmkunst. Er ist ein Meister des patriotischen Kitsch, seine Arbeiten verherrlichen den Helden- und melodramatischen Opfertod und sind Melodram durch und durch. Als Künstler war er gleichermaßen talentiert und ignorant. Mit seinem Monumentalwerk Kolberg, das 1945 im Kino erschien, schuf er das große Durchhalte-Epos eines Regimes, das bereits im Untergang begriffen war. Bis zum heutigen Tag geht von der handwerklichen Ästhetik, der Dunkelheit und der verführerischen Kraft seiner Filme eine Faszination aus.

Moellers neuester Dokumentarfilm Verbotene Filme17 aus dem Jahr 2014 untersucht die Filmindustrie des Dritten Reichs, die über 1.200 Spielfilme auf den Markt gebracht hat. Auch heute, 70 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft, sind noch immer 40 dieser Filme gesetzlich verboten. Keiner dieser Filme darf aufgrund seines verhetzenden und antisemitischen Inhalts als DVD vertrieben oder im Fernsehen ausgestrahlt werden, lediglich für wissenschaftliche Zwecke ist deren Vorführung erlaubt. In seiner Dokumentation beschäftigt sich Felix Moeller nun mit der Ideologie, die hinter eben diesen verbotenen NS-Filmen steckt. Das Ergebnis ist ein faszinierendes filmisches Mosaik, das die Bedeutung dieser Filme sowie die Verantwortlichkeit der Beteiligten hinterfragt: Wie sollten wir heute mit dieser dunklen Vergangenheit umgehen? Sind die Filme es wert, aufbewahrt zu werden oder sollten sie besser ein für alle Mal von der Leinwand verschwinden?

Zu guter Letzt möchte ich noch einige bekannte Werke hervorheben, die sich mit dem deutschen Narrativ des Zweiten Weltkriegs und dessen Auswirkungen auseinandersetzen. Heimat18, eine filmische Trilogie von Edgar Reitz, entwirft ein detailreiches Bild vom Alltag eines fiktionalen, westdeutschen Dorfes, während Die zweite Heimat/Heimat 2 aus dem Jahre 1992 das studentische Leben in München zwischen 1919 und 2000 thematisiert. Reitz hatte mit den Dreharbeiten in den späten siebziger Jahren begonnen (der erste Teil der Trilogie wurde 1984 ausgestrahlt), 2004 wurde das Werk mit Heimat 3 fertiggestellt. Der Epilog Heimat Fragmente wurde auf dem Filmfestival in Venedig im Jahre 2006 gezeigt. Reitz portraitiert die Deutschen in seinem insgesamt 940 Minuten umfassenden Monumentalwerk als ganz normale Leute, die in ihrem Leben einfach immer nur vorankommen wollten, auch während der Nazizeit. Die Handlung ist in dem fiktionalen Dorf Schabbach angesiedelt, gedreht wurde in Woppenroth im Rhein-Hunsrück, einer ländlichen Region westlich des Rheins. Reitz hat den Versuch unternommen, Schabbach von Geschichte, Nationalismus und Politik loszulösen, indem er eine akribische Alltagsgeschichtes des deutschen Dorfes liefert. Reitz' Portrait der Nazizeit spiegelt damit die Ansätze des deutschen Historikers Martin Broszat wider. Reitz hatte mit seinen Dreharbeiten sechs Jahre vor der Veröffentlichung des berühmten Essays von Broszat „Plädoyer für eine Historisierung des Nationalsozialismus“ (1985) begonnen und hatte damit intuitiv den Thesen Broszats Ausdruck verliehen. Das Erscheinungsdatum der Reitzschen Filme lieferte damit zu einem gewissen Grad ein Beipiel für Pierre Sorlins Behauptung, dass Kino eine Ausdrucksform des „nationalen Unbewussten“ sei.

Die Blechtrommel19, ein zeitloser Klassiker von Volker Schlöndorff aus dem Jahr 1979, ist eine ironische Satire, basierend auf dem gleichnamigen Roman des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass. Der Film erzählt die Geschichte von Oskar, einem Kind aus Danzig, das Ende der zwanziger Jahre aus Protest gegen den erstarkenden Nationalsozialismus beschließt, nicht weiter zu wachsen. Der Film wurde mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Academy Award für den besten ausländischen Film. Der Film Die Blechtrommel mit seiner surrealen Bildsprache, bemerkenswerten Erotik und seiner reichen, ausgefeilten Symbolik, war einer der finanziell erfolgreichsten deutschen Filme der siebziger Jahre. Oskar, überzeugend dargestellt von David Bennet, weist gleichzeitig dämonische, prophetische, unschuldige und amoralische Züge auf.

Im selben Jahr erschien der Film Deutschland bleiche Mutter20 von Helma Sanders Brahms und Walter Höllere. Dieser Film zeichnet ein dunkles Bild vom deutschen Familienleben nach dem Zweiten Weltkrieg. Filmmaterial aus dem Krieg und dramatische Spielszenen werden ineinander verwoben. Der Film, 1980 auf dem Berliner Filmfestival für den Goldenen Bären nominiert, weist starke autobiografische Züge auf: Er ist gewissermaßen ein Spiegel von Sanders Brahms Lebensgeschichte, die 1940 geboren wurde. Dass Erfahrungen aus dem Alltagsleben ganz normaler deutscher Bürger während des Zweiten Weltkriegs verarbeitet werden, ist eine Seltenheit im deutschen Kino.

Viele weitere Filme befinden sich in unserer digitalen Sammlung im Visual Center von Yad Vashem. Einen Einblick in die Datenbank erhalten Sie unter folgendem Link.

Liat Benhabib ist seit 2005 Direktorin des Visual Centers in Yad Vashem, sowie Filmproduzentin. Sie ist außerdem Gründungsmitglied des Forums für die Erhaltung der audiovisuellen Erinnerung in Israel. Sie hat als Wissenschaftlerin, Castingdirektorin und Regieassistentin sowie als Produzentin von Israelischen Dokumentarfilmen und Fernsehserien unter den Regisseuren Eran Riklis, Ari Folman, David Ofek und Yossi Madmoni gearbeitet. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Dozentin für Menschen mit Behinderung ist sie Drehbuchautorin, Regiesseurin und Produzentin von Filmworkshops, die von „Nizan“, einem gemeinnützigen Verein organisiert werden. Sie ist Produzentin der Videokunst-Installationen von Michal Rovner und Uri Tzaig und als Koproduzentin zusammen mit „Belfilms Productions“ verantwortlich für 118 Kurzfilme, die Teil der Dauerausstellung des Museums zur Geschichte des Holocaust in Yad Vashem sind. Seit 2014 ist Benhabib Mitglied des Israeli Film Councils. 

 

Übersetzung aus dem Englischen: Angela Osthoff und Dr. Noa Mkayton.