Besucherinfo
Öffnungszeiten:

Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr
Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr

Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.

Anfahrt nach Yad Vashem:
Hier finden Sie weitere Besucherinformationen ...

Hannalehs Rettung

Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler im Alter von 6 bis 8 Jahren

Ins Deutsche übertragen und bearbeitet von Ute Werner, Teilnehmerin am Fortbildungsseminar in Yad Vashem

„Hannalehs Rettung“ eignet sich besonders gut als Erstbegegnung mit dem Thema des Holocaust. Über das Medium einer persönlichen Geschichte, deren Protagonist sich ungefähr im Alter der Zuhörerinnen und Zuhörer befindet, wird das Schicksal eines einzelnen Kindes erzählt, das den Holocaust überlebt.

Vorbemerkungen

Als Einstieg der Erstbegegnung mit der Shoa eignet sich die Hannaleh–Geschichte aus verschiedenen Gründen sehr gut: Die Shoa wird hier über das Medium einer persönlichen Geschichte erzählt, deren Protagonistin sich ungefähr im Alter der Zuhörer befindet. Die Geschichte enthält realistische und anschauliche Details, die es den Kindern ermöglichen Hannaleh gegenüber Empathie aufbringen. Es wird das Schicksal eines einzelnen Kindes erzählt, das die Shoa überlebt, wodurch der Hoffnungsgedanke als elementares Element zum Tragen kommt. Positive Werte, wie z. B. der Zusammenhalt der Familie, die Hilfsbereitschaft der Nachbarn, persönliche Nähe und Wärme, durchziehen die Geschichte. Ebenfalls in die Rettung des Kindes ist ein „ Gerechter unter den Vökern“ mit einbezogen, was am Schluss der Geschichte besonders erwähnt wird. Es ist für die Kinder außerordentlich wichtig, dass diese Unterrichtseinheit von der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer als einer den Kindern vertrauten Person erzählt wird. Diese Rolle sollte nicht von Fachlehrern und Fachlehrerinnen, die nur wenige Stunden in der Klasse unterrichten, oder einer Person von außen übernommen werden. Wichtig ist, dass die Lehrkraft eine emotionale Bindung zu den Kindern hat und ihnen die eigene Betroffenheit in sachlicher Form nahe bringt. Kinder sind erfahrungsgemäß sehr sensibel und spüren, wie wichtig den Lehrern die Thematik ist. Stehen die Pädagogen nicht absolut hinter dem, was sie den Kindern vermitteln wollen oder geht es ihnen nur um die Vermittlung geschichtlicher Fakten, ist von der Durchführung dieser Unterrichtseinheit abzuraten.

Ablauf

Die Schüler sitzen im Stuhlkreis. In der Mitte befindet sich ein schwarzes Tuch, zum Kreis geformt. Auf dem Tuch stehen ein siebenarmiger Leuchter und einige kleine brennende Teelichter. Das schafft eine feierliche Atmosphäre. Ich habe mir die Geschichte sehr genau eingeprägt, um sie den Schülern frei zu erzählen. Als Gedächtnisstütze habe ich sie auf kleine Karteikarten geschrieben und die Stellen, an denen Bilder in den schwarzen Kreis gelegt werden, farbig markiert. Durch die Haltung, Gestik und Mimik der Lehrkraft empfinden die Schüler sehr schnell die Ernsthaftigkeit des Themas. Alle sind sehr betroffen und hören still zu. Sie versetzen sich in Hannalehs Lage und identifizieren sich ein Stück weit mit ihr. Der Lehrer oder die Lehrerin muss beim Erzählen einiger Passagen des Textes sehr sensibel vorgehen und sollte diese nicht noch besonders ausschmücken und zusätzlich dramatisieren. Man muss dabei ständig genau auf die Schüler achten, da einige sehr betroffen reagieren. Wichtig ist auch, die Schüler immer wieder an bestimmten Stellen in die Geschichte miteinzubeziehen, indem man z. B. fragt: „ Was meint ihr, wie fühlt Hannaleh sich wohl, als plötzlich die anderen Kinder nicht mehr mit ihr spielen wollen?“ Oder: „Stellt euch einmal vor, ihr dürftet nur zwei Teile von eurem Spielzeug mitnehmen! Wie würde es euch dabei gehen?“ Oder: „Stellt euch vor, ihr müsstet alleine von eurer Familie weggehen, zu einer fremden Familie, die ihr gar nicht kennt!“

Da die Geschichte sehr lang ist, braucht man ungefähr eine Schulstunde zum Erzählen. Anschließend stellen die Schüler Fragen und im Anschluss stellt der Lehrer Fragen zum Inhalt der Geschichte und die Schüler erzählen sie nach. Daraufhin suchen sich die Schüler eine Sequenz, etwas, das sie besonders berührt, aus und zeichnen sie nach. Die so entstandenen Bilder werden mit kurzen Texten darunter auf einer Stellwand ausgestellt.

Hannalehs Rettung

Ich möchte euch heute eine Geschichte von einem kleinen Mädchen erzählen, das 1939 in Polen lebte. In Polen lebten Polen, aber auch Polen die einen jüdischen Glauben hatten. In einem polnischen Dorf lebte ein junges jüdisches Paar. Sie hatten ein kleines Mädchen, das sie Hannaleh nannten. Hannaleh war ein sehr, sehr glückliches Mädchen. Jeden Morgen verließ Hannalehs Vater, der Mosche hieß, das Haus und ging zur Arbeit bei einer Zeitung. Hannalehs Mutter, die Sarah hieß, blieb zu Hause, um sich um Hannaleh zu kümmern. Sie hatten zusammen ein glückliches Leben. In der Zeit gab es in Deutschland, dem Nachbarland von Polen, einen gemeinen, niederträchtigen Mann. Sein Name war Adolf Hitler. Hitler hatte eine sehr große Armee. Er wollte alle Länder um Deutschland herum erobern. Eines Tages begann ein großer Krieg. Hitler befahl seiner Armee, Polen zu überfallen. Die Juden dort wurden verfolgt und es gab viele Erlasse und Hetzschriften gegen sie.

Ab sofort mussten die Juden einen gelben Aufnäher auf alle ihre Kleidungsstücke vorne und hinten nähen. An diesem Tag nähte auch Sarah gelbe Aufnäher mit der Aufschrift: „Jude“ vorne und hinten auf alle Kleidungsstücke. Dann gingen die Eltern mit Hannaleh in den Park zum Spielen. Aber alle anderen Kinder im Park schubsten Hannaleh weg. Das Mächen fragte: „ Warum spielen die anderen nicht mehr mit mir?“ Und Sarah antwortete: „ Weil wir Juden sind.“ Hannaleh sagte: „ Aber das waren wir doch vorher auch!“

Dann erließen die Deutschen mit Hitler eine neue Verordnung. Sie sagten, am nächsten Tag müssten die Juden all ihre Sachen nehmen, ihre Häuser verlassen und in ein besonderes Gebiet nur für Juden ziehen. Dieses Gebiet wurde „Ghetto“ genannt. Wie kann man in einem Tag alles aus dem Haus holen und umziehen in ein anderes? Hannalehs Eltern verstanden: Sie durften nur die wichtigsten Sachen mitnehmen.

Hannaleh dachte über ihr Spielzeug nach. Sie wollte alles mitnehmen. Aber die Eltern sagten: „Du darfst nur zwei Teile mitnehmen!“ Sie ging zu ihrer Spielzeugkiste, schaute lange hinein und entschied sich für eine besondere Puppe und Stifte mit Zeichenpapier. Am nächsten Morgen versammelten sich alle Juden auf dem großen Marktplatz und dann wurden sie gezwungen ins Ghetto zu gehen.

Als Hannaleh ins Ghetto ging, schaute sie sich überall um. Sie sah hohe Mauern mit Stacheldrahtzäunen und Nazisoldaten, die entlang der Mauer patrouillierten. An einer Stelle der Mauer gab es ein großes Tor. Soldaten standen davor. Wenn jemand dem Tor zu nahe kam, wurde er weggeschubst. Das Ghetto war völlig abgeriegelt. Alles was da war, waren Menschen und überfüllte Häuser. Hannaleh und ihre Familie lebten in einem Haus in einem Raum mit ihren Großeltern. Leider gab es nicht genug Häuser für alle Menschen. Viele Familien lebten beengt, meist nur in einem Raum. Das war furchtbar.

Während des Tages stapelten sie alle Matratzen in einer Ecke. Überall hängten sie ihre Sachen hin. Trotzdem war Hannaleh glücklich mit ihren Großeltern zu leben. Das Leben im Ghetto war so anders.

Alles, was die Menschen dort taten, war durch Befehle und Regeln von den Deutschen kontrolliert. Hannalehs Vater arbeitete nicht mehr bei der Zeitung, weil die Deutschen es nicht mehr erlaubten. Stattdessen arbeitete er in einer Fabrik. Er arbeitete sehr hart ohne dafür bezahlt zu werden. Dafür bekam er etwas zu essen für die Familie, aber nicht genug um alle satt zu machen. Hannalehs Mutter sah, wie schwierig die Situation war. Also ging auch sie zur Arbeit in ein Krankenhaus. Auch sie wurde nicht bezahlt und bekam nur etwas zu essen. Es gab kein Geld um Essen zu kaufen.

Dann kam der Winter. Der Winter in Polen ist sehr hart. Es gibt viel Schnee und es wird eiskalt. Einen Platz, um sich aufzuwärmen, gab es nicht. In dieser Zeit lernten die Kinder in der Schule, dass das Chanukkafest (Lichterfest) vor der Tür stehe – ein jüdischer Feiertag. Gewöhnlich bekamen die Kinder zu diesem Fest Geschenke. Hannaleh dachte: „ Es gibt bestimmt keine Geschenke. Ich glaube es ist auch kein Chanukka-Geld da, das es sonst anstelle von Geschenken gab“. Es gab kein leckeres Essen, weil nichts da war. Hannaleh entschied sich, sich nichts anmerken zu lassen. So würde sie nicht über Geld und Geschenke sprechen. Sie wollte nicht, dass sich jemand schlecht fühlte. Als der Tag des Chanukkafestes da war, kamen die Eltern von der Arbeit heim und fielen in die Betten, weil sie so kaputt, müde und hungrig waren. Plötzlich klopfte es an der Tür! Als sie die Tür aufmachten, stand der Nachbar Mortel mit Kerzen in der Hand da. Er sagte: „Seht! Ich habe Kerzen. Wir können das Chanukkafest feiern. Jeder kann in mein Zimmer kommen.“ Alle liefen zu seinem Raum. Dort saßen alle Leute aus dem Haus eng zusammen. Sie steckten die brennenden Kerzen in den Leuchter und sangen Lieder. Für diesen Moment war in dem kleinen Raum im Ghetto große Freude.

Einige Tage später kam Opa mit schockierenden Neuigkeiten. Er hatte von Freunden in der Straße gehört, dass Nazis herumgingen und alle alten Leute und Kinder auf Züge verfrachteten, um sie an einen unbekannten Platz zuschicken.

Opa sagte, dass Hannaleh das Haus nicht mehr verlassen dürfte. Und es war so kalt! Kein Essen, nichts zum Spielen, kein Platz! Aber sie musste drinnen bleiben, weil es draußen zu unsicher für sie war.
In der Nacht träumte sie von Blumen, Bäumen, Schmetterlingen und Kindern, die mit ihr spielten.

Mitten in ihrem Traum hörte sie ein Trampeln und Poltern. Sie sah ihren Vater und ihren Opa mit dem Nachbarn Numorte. Sie schlugen die Wand hinter dem Schrank weg. Opa sagte zu ihr: „Das wird ein geheimes Versteck. Wenn die Nazis kommen und nach uns suchen, verstecken wir uns alle hinter dem Schrank und sie finden uns nicht.“ Einige Tage später kam ein Nachbar ins Haus gerannt und rief: „Die Nazis kommen! Sie durchsuchen unser Haus! Alle kjdLeute und Kinder müssen sich verstecken!“ Schnell kletterte Hannaleh in das Versteck hinter dem Schrank.

Alle verhielten sich ganz ruhig, konnten nicht sprechen und nicht husten. Sie saßen in totaler Stille da. Sie hörten, wie die Nazis in das Zimmer kamen. Die Nazis trampelten über ihre Matratzen und suchten Menschen, die sich vielleicht versteckt hatten. Plötzlich öffnete sogar ein Nazi die Tür des Schrankes. Aber er konnte nicht erkennen, dass sie dahinter versteckt waren. Als die Nazis schließlich weg waren, atmeten alle tief durch aus Erleichterung. Als Sarah und Mosche abends von der Arbeit kamen, kam Hannaleh zu ihnen gerannt und sagte: „Mama, Papa, wir haben uns versteckt. Sie haben uns nicht gefunden. Wir waren sicher!“ Aber Hannalehs Eltern sahen sich gegenseitig an. Sie erkannten, dass Hannaleh Glück gehabt hatte. Aber die Nazis würden sicher wiederkommen. Sie würden sie finden und wegbringen.

Dann hatte Oma eine Idee. Sie hatte eine polnische Freundin, die keine Jüdin war. Sie kannte sie aus den Zeiten vor dem Krieg. Die Frau hatte Arbeit. Sie musste jeden Tag ins Ghetto kommen und allen Nazis Suppe bringen. Am nächsten Tag traf Oma sich mit ihrer alten Freundin und erzählte ihr von ihrer Idee. Die polnische Frau sollte Hannalehs Leben retten. Sie sollte Hannaleh in dem großen Suppentopf aus dem Ghetto schmuggeln. Die polnische Frau sollte aus dem Ghetto herausgehen und Hannaleh sollte bei ihr und ihren Kindern bleiben, bis der Krieg zuende wäre. Als die polnische Frau dies hörte, sagte sie: „Herausschmuggeln aus dem Ghetto? Was da alles mit mir passieren kann, wenn sie mich packen! Ein jüdisches Mädchen herausschmuggeln! Sie werden mich umbringen!“ Sie wusste, dass die Nazis alle umbrachten, die Juden zu der Zeit halfen. Aber Oma sagte: „Du musst das Leben dieses Mädchens retten!“ Aber die Frau entgegnete: „ Aber wir haben noch nicht einmal genug Essen im Haus, um meine eigenen Kinder zu füttern. Wie soll ich da noch ein anderes Kind durchfüttern?“ So antwortete die Oma: „Dafür gebe ich dir all meinen Schmuck. Den kannst du verkaufen und mit dem Geld wirst du in der Lage sein, deine Familie und Hannaleh bis zum Ende des Krieges zu ernähren.“ Schließlich war die Frau einverstanden und sagte zu Oma: „ Ab jetzt kann Hannaleh nicht mehr bei ihrem Namen genannt werden, dafür wird sie ‘Anna’ genannt. Sie muss sich verhalten wie ein polnisches, christliches Mädchen, nicht wie eine Jüdin.“ In dieser Nacht hörte Hannaleh Oma und Sarah miteinander sprechen. Dann hörte sie Sarah bitterlich weinen. Hannalehs Eltern kamen zu Hannalehs Bett und erzählten ihr von der Idee, dass Hannaleh bei der polnischen Familie leben sollte. Aber Hannaleh war sehr traurig und sagte aufgeregt: „Bitte, lasst mich hier bleiben. Bitte! Bitte! Ich werde keinen Ärger oder Sorgen machen. Keinen Krach. Ich werde mich im Versteck verstecken. Die Nazis werden mich nicht finden!“ Aber ihre Eltern erklärten ihr, dass die Nazis wiederkommen und sie finden würden. Sie erklärten Hannaleh, wenn sie zu der polnischen Familie gehen würde, würden die Eltern am Ende des Krieges wissen, wo sie wäre und dann kommen, um sie zu holen. Diese Nacht schlief Hannaleh bei ihren Eltern und betete, dass der Morgen nicht kommen würde.

Am Morgen, als die Eltern wie immer zur Arbeit gehen mussten, musste Hannaleh sich von ihren Eltern verabschieden. Niemand durfte Verdacht schöpfen. Das war für alle sehr schwer. Hannaleh sagte: „Auf Wiedersehen“ und weinte. Sie wusste ja nicht, wann und ob sie die Eltern je wiedersehen würde. Sie setzte sich auf Opas Schoß und wartete auf Oma, die kommen sollte, um zu sagen, wann es Zeit sei, die polnische Frau zu treffen. Als Oma hereinkam, hielt Hannaleh Opa ganz fest und ging dann mit der Oma. Sie gingen zu dem vereinbarten Platz. Die polnische Frau hatte den großen Suppentopf in einem Holzkarren. Das Letzte, was Oma zu ihr sagte, war: „Egal was du tust, was du sagen und tun musst, vergiss nie, dass du eine Jüdin bist!“ Dann drückte Oma Hannaleh ganz tüchtig und Oma setzte Hannaleh in den Topf. Hannaleh duckte sich und sie legten den Deckel und eine Decke darauf. Schnell ging die polnische Frau durch das Tor. Oma stand da, um sich zu vergewissern, dass sie durchkamen. Die polnische Frau ging durch die Reihen der Nazis. Die Nazis glaubten ja, dass es nur die Frau mit der Suppe war. Sie wurde nicht einmal durchsucht. Als die beiden in der Ferne verschwanden, war Oma erleichtert, denn sie wusste, das Hannalehs Leben gerettet war.

Hannaleh hatte Glück. Viele Kinder und Jugendliche aber hatten kein Glück. Sie wurden auf die Züge geschickt und von den Nazis umgebracht. Am Ende des Krieges kamen die Eltern, Sarah und Mosche, um sie zu holen. Sie gingen auf das Haus zu, aber Hannaleh erkannte sie zuerst nicht. Sie sahen so dünn, so müde und so hungrig aus. Die Eltern dankten der polnischen Frau, dass sie sich gut um Hannaleh gekümmert hatte. Dann begannen sie ein neues Leben in Israel. Die Großeltern waren nicht mehr am Leben. Sie wurden von den Nazis ermordet.

Diese Bilder sind von Menschen gemacht worden, die nicht in Hannalehs, sondern in anderen Ghettos während dieser Zeit waren.