Aus dem letzten Brief von Ida Goldish aus Rumänien, den sie vor ihrer Deportation nach Transnitrien an ihre Schwester schrieb.
Liebe Clara,
Seit einigen Tagen schon erwarten wir in Angst die furchtbare Gefahr, die uns bevorsteht - wir sollen zu Fuß in die Ukraine geschickt werden (angeblich für die „Umsiedlung“). Du kannst Dir unsere Situation vorstellen, wenn wir so lange zu Fuß gehen müssen, bei der Kälte, mit einem kleinen Kind und den wenigen Dingen, die wir tragen können.
Wir werden offensichtlich in Gruppen von 2500 Menschen deportiert, so dass in 4 Tagen hier niemand mehr zurückbleiben wird. Die erste Gruppe ging gestern los, unter ihnen Rosa mit den Kindern. Möge Gott sie beschützen...
Meine Liebe, von der Wolle, die Du mir geschickt hast, habe ich einen dicken Schal für Vilys Hals gestrickt, denn wir wissen ja nicht wieviele Tage wir unterwegs sein werden.
Meine liebe Schwester, ich bitte Dich innigst, kümmere Dich um Mutter, denn Du bist die einzige, die sie jetzt noch hat. Verlasse sie niemals...
Es tut mir nur Leid, dass ich euch alle nie wieder sehen werde. Ich leide sehr darunter. Ich hatte die Hoffnung, dass wir uns alle noch einmal treffen würden, aber diese Hoffnung ist jetzt erloschen.
Lebt wohl, meine Lieben, meine geliebte Mutter, mein lieber Vater. Ihr ward die ersten Sonnenstrahlen, die mein Leben gewärmt haben...
Ich schaue völlig umsonst zurück, denn es ist hoffnungslos, da das Schicksal uns einen bösen Schlag versetzt hat. Und obwohl ich versuche euch näher zu kommen, werden wir nur immer weiter auseinandergerissen.
Doba und Vily schicken Dir tausend Küsse und einen liebevollen Abschied.
Der endgültige Abschied, alle meine Gedanken sind mit Dir.
Ida
