Lichtflecke - Frau sein im Holocaust

Liebe

Marta Byk

Die 16-jährige Marta Byk war eine begeisterte Zionistin, die sich wünschte in das Land Israel einzuwandern. Im Jahre 1939 gelang es Gertrude Byk, Einwanderungsvisa in die USA für sich und ihre beiden Kinder Marta und Herbert zu erhalten. Marta weigerte sich jedoch mitzukommen. Im November machte sich Marta auf den Weg ins Land Israel. Zusammen mit einer Gruppe von 1300 jüdischen Flüchtlingen, segelte sie die Donau hinab, um das schwarze Meer zu erreichen. Sie  kamen nur bis Serbien. Von dort aus war eine Weiterfahrt unmöglich. Die Flüchtlinge mussten in der Stadt Sabac bleiben. Einem Teil dieser Gruppe gelang die Flucht ins Land Israel, die Übrigen wurden ermordet.

1941 begann Marta, Briefe an ihre Mutter zu schreiben. Als die Deutschen Serbien besetzten, wurde die gesamte Gruppe hinter Stacheldraht gesperrt und war Misshandlungen und Mord ausgesetzt. Im Oktober 1941 wurden die Männer des Lagers angeblich zur Arbeit „mitgenommen”. Sie wurden jedoch verschleppt und ermordet. Marta, die vom Schicksal der Männer nichts ahnte, schrieb ihrer Mutter, dass sie im März einen Mann namens Marjan Fürstenberg geheiratet hatte. Sie beschrieb ihn als hochgewachsenen und braungebrannten Mann, der von Beruf Mechaniker und Radiotechniker war. Am 6. November 1942 wurde Marta gemeinsam mit ihrer gesamten Gruppe ermordet.

19. Februar 1941
Meine geliebte Mutti:

[nicht zum Vorlesen geeignet!]

Du weißt nicht, wie einsam ich bin. Heute ist mein Geburtstag und mir hat kein Mensch geschrieben. Die Gratuliererei ist ja eigentlich ein Unsinn, aber so was ist doch schwer zu ertragen.
Sei nicht böse, dass dieser Brief so verbittert ist, aber ich kann mit niemandem darüber sprechen und ich glaube, es ist ganz natürlich, dass ich zu Dir komme.

18. November 1941
An Trude Byk

Brooklyn, New York

… Vor allem, sei ohne Sorgen, mir geht es gut, ich bin gesund und noch etwas: ich habe geheiratet, sogar noch im März. Dies wird Dir sicher sehr komisch vorkommen. Das kleine Martachen! Es ist noch nicht lange her, dass ich noch in die Schule ging. Muttilein, bitte krieg keinen Schreck, ich habe kein Baby bekommen und auch nicht die Absicht, Dich bald zur Großmutter zu machen; das hat wirklich noch Zeit.

Ich bin sehr glücklich, und Du wirst mit Deinem Schwiegersohn zufrieden sein. Ich will ihn dir vorstellen: sehr groß, schwarz usw. Name: Marjan Fürstenberg in Sabac, jüd. Auswandererlager, Serbien. 24 Jahre alt. Beruf: Automechaniker, Elektriker und Radiotechniker. Er kann momentan nicht schreiben, denn er arbeitet für einige Wochen in der Umgebung.
Mutti, ich muss wissen, dass du mich verstehst, denn sonst bin ich traurig. Ich weiß ja schon längst, dass du meine beste Freundin bist.

Viele Grüße und Küsse von

Marta und Marjan

Marta, Wien, 1938-1939Marta, Wien, 1938-1939