Lichtflecke - Frau sein im Holocaust

Essen

Yehudit Aufrichtig

Als Yehudit, Edith Gombus beste Freundin, erkrankte, schickte ihr Edith ein Briefchen in dem sie ausführlich schilderte, was sie in ihrer Phantasie gegessen haben:

„Wir haben alles aufgegessen, bis auf eine kleine Scheibe Brot, die wir für Dich übrig gelassen haben.”

Geboren 1914 in Ungarn, emigrierte Yehudit 1938 nach Amsterdam und arbeitete als Kindermädchen für eine jüdischen Familie. Nach der deutschen Besetzung ließ sie sich zur Kosmetikerin ausbilden und lernte so die Frau des ungarischen Botschafters in den Niederlanden kennen, die ihr einen Pass besorgte, der sie nicht als Jüdin auswies. Yehudit schloss sich einer Widerstandsgruppe an und verteilte gefälschte Lebensmittelkarten und Essen an jüdische Familien, die sich auf holländischen Bauernhöfen versteckten. Nachdem sie von einer holländischen Frau verraten worden war, wurde sie 1944 über Westerbork ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Dort musste sie in der Fabrik von Siemens Zwangsarbeit leisten. Sie und ihre Freundinnen schrieben „Phantasierezepte”. Gegen Kriegsende wurde Yehudit einem Bernadotte-Konvoi angeschlossen und erreichte Schweden. Sie starb 2003 in Israel.

Wir hatten weißes Papier aus schlechter Qualität. Wir nahmen ein großes Blatt und falteten es in viele kleine Stücke. Ich holte Nadel und Faden und nähte es so zusammen, dass es nicht auseinanderfallen konnte und wir fingen an aufzuschreiben. Ich werde nie vergessen, wie eine holländische Frau zu mir sagte: „Ich habe eine ´Birnenkugel`, schreibe es auf.” Ich sagte: „Ich habe so etwas noch nie gegessen, deshalb habe ich kein Verlangen danach.” Sie sagte: „Aber es würde mir so viel Freude machen, darüber zu sprechen.” So tat ich ihr den Gefallen und schrieb es auf. Unser Ziel war es, unser Bedürfnis nach Nahrung zu stillen. Wenn Du Hunger hast, interessiert dich nichts anderes mehr als Essen.

Yehudit (Aufrichtig) Taube

Yehudit Aufrichtig war krank und verpasste daher die Ausgabe der täglichen Brotration. Ihre beste Freundin, Edith Gombus, schickte ihr das Brot zusammen mit einer Notiz, in der stand, was sie sich beim Essen vorgestellt hatten:

Frühstück: Nach Karlsbader Art – Eier, Butter, Käse, Marmelade.

Vormittags: Yoghurt, Radieschen. Mittagessen: Kartoffelsuppe mit Sauerrahm und Lorbeerblättern, Spargel in Sauerrahm mit geröstetem Brot. Spiegelei und Schinken in Tomatensoße mit Makkaroni. Bratapfel mit Vanillesoße.

Nachmittags: Heiße Schokolade mit Schlagsahne, Eierwecken mit Mandeln und Wespennest (Maultasche).

Abendessen: Kürbis, Bratkartoffel mit Zwiebeln, Salat mit Frühlingszwiebel, kleine Kekse und schwarzer Kaffee, Obst.

Wir haben alles aufgegessen bis auf diese kleine Brotscheibe, die wir für dich aufgespart haben.
Yehudit, Juni 1944, NiederlandeYehudit, Juni 1944, Niederlande