31.August 1941

Mauthausen, Österreich

„Blanche, wenn Du einen Sohn bekommst, nenne ihn dann Jacob Ben Meier, ist es eine Tochter, dann nenne sie Rachel.“

Brief aus Mauthausen

Meier Vieijra wurde am 26. Dezember 1918 in Amsterdam geboren.
1939 heiratete Meier Blanche Nabarro. Ein Baby, Aaron, wurde 1940 geboren, starb aber bereits drei Tage später.

Meiers Eltern lebten im Zentrum Amsterdams, in der Nähe der Portugiesischen Synagoge auf dem Jonas Daniel Meijerplein, dem Ort, der am 22. und 23. Februar 1941 zum Schauplatz der ersten großen Judenrazzia in Amsterdam wurde. Am 22. Februar war Meier unterwegs zu einem Besuch bei seiner Mutter, als man ihn im Treppenhaus ihres Mehrfamilienhauses brutal festnahm. Zusammen mit etwa 400 jungen holländisch-jüdischen Männern wurde er zum Jonas Daniel Meijerplein gebracht und dann deportiert, zunächst nach Buchenwald, dann nach Mauthausen. Die meisten der Deportierten wurden innerhalb einiger Monate ermordet.

Blanche bekam eine Postkarte von Meier, geschrieben am 2. März 1941 in Buchenwald – auf Deutsch und eindeutig nicht in seiner Handschrift. Sie erkannte nur seine Unterschrift. Auf der Postkarte kündigte er an, man werde ihn nach Mauthausen überführen.
Am 31. August bekam Blanche, was sich als der letzte Brief von ihrem Mann erweisen würde, in dem er schrieb: „Blanche, wenn Du einen Sohn bekommst, nenne ihn dann Jacob Ben Meier, ist es eine Tochter, dann nenne sie Rachel.“

Am 2. Oktober 1941 brachte Blanche eine Tochter zur Welt und gab ihr den Namen Rachel.
Ein Brief, den Blanche am 14. Oktober 1941 an Meier in Mauthausen schickte, wurde an den Absender zurückgeschickt. Meier war am 17. September 1941 ermordet worden.

Im Mai 1943, infolge von Gerüchten, eine „Aktion“ stehe bevor, ging Blanche mit ihrer zweijährigen Tochter Rachel, ihrer Schwester Annie Bromet-Nabarro, Annies Ehemann Jacques Bromet und der Tochter des Paares, Bertha, in Oldebroek ins Versteck. Aufgrund der Gefahr und der extrem beengten Verhältnisse zogen Blanche, nun unter dem Namen Marie van Dorp, ihre Tochter Rachel, nun genannt Ella, und Bertha zu Helmig und Gerritje Flier, ebenfalls in Oldebroek. Kurz danach wurden die Bromets verraten und nach Auschwitz deportiert. Annie überlebte.

Da die Fliers fünf eigene Kinder hatten, wurde Bertha von Hermanus und Elisabeth van Essen in Oldebroek aufgenommen. Die Fliers richteten auf ihrem Bauernhof drei verschiedene Verstecke für Blanche und Rachel ein, im Heuschober und hinter dem Schweinestall, wo Blanche schlief, wenn eine Warnung vor einer möglichen Haussuchung eingegangen war. Blanche und Rachel überlebten mehrere solcher Haussuchungen und wurden im April 1945 befreit.

31. August 1941

Liebe Blanche,

ich habe Deine Briefen und Postanweisungen mit vielen Dank erhalten. Heute habe ich Gelegenheit, dir zu schreiben. Blanche, sei so gut und danke Tante Aggelen für die Postanweisung. Du fragst in Deinem Brief, ob Du jede Woche RM 15.- senden darfst, das ist wohl erlaubt. Blanche, wenn Du einen Sohn bekommst, nenne ihn dann Jacob Ben Meier, ist es eine Tochter, dann nenne sie Rachel.

[Der Text, der zensiert wurde, drückte anscheinend Beileid zum Tod Samuel Vieijras aus. Samuel, Meiers Onkel, der Bruder seines Vaters, war am 7. August in Mauthausen ermordet worden.]

Grüße bitte die ganze Familie und speziell Clara und Chellie und sei selbst recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deinem Dich liebenden Meier Vieijra.

Liebe Eltern und Schwiegermutter! Wie geht es Euch, ich hoffe gut. Schreibt mir bitte einmal. Viele Grüße, Meier Vieijra

[Die Handschrift ist nicht Meiers. Nur die Unterschrift stammt von ihm.]

Meier Vieijras letzter Brief an seine Frau Blanche, 14. Oktober 1941
  Betrachten Sie die Briefe