Berlin, 31. August 1939
„Mein lieber kleiner Henry Ich bin froh, dass Du wohlauf und glücklich bist. Ich hoffe es wird nicht zum Krieg kommen.
Falls er doch ausbrechen sollte, möge Gott Dich segnen..."
Diese Zeilen schrieb Max Lichtwitz auf eine Postkarte an seinen siebenjährigen Sohn nach England. Am darauffolgenden Tag, dem 1. September 1939, marschierte die Wehrmacht in Polen ein. Es war die letzte einer ganzen Reihe von Postkarten, die er innerhalb von 7 Monaten an seinen Sohn schickte. Mit Ausbruch des Krieges kommt der Briefwechsel zu einem abrupten Ende. Nur sporadisch können Vater und Sohn von nun an über das Rote Kreuz kommunizieren.

Die Aufnahme stammt aus einem Fotoalbum, das die Eltern bei Heinz' Geburt angelegt hatten. Max Lichtwitz wurde im Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.








Berlin, 28.2.39
„Lieber kleiner Heini.
Ich habe mich sehr mit Deinen beiden Briefen und den Bildern aus dem Garten gefreut. Nun hast Du wohl schon Deinen Koffer mit Deinen Spielsachen bekommen? Ist alles gut angekommen? Wie geht es Toddi und Joko? Was sagt Tim dazu? Wie gefallen Dir denn die Karten, die ich Dir immer schicke? Ich bin sehr froh, dass Du so schnell Englisch lernst und dass der Lehrer mit Dir zufrieden ist. Grüsse Onkel und Tante. Viele Grüsse und Küsse von Vati."


Max Lichtwitz beginnt, englische Wörter in die Postkarten einzufügen, um sicher zu gehen, dass Heinz, der sich immer mehr in das Englische einlebt, ihn versteht. Ungefähr einen Monat später kommunizieren Vater und Sohn nur noch auf Englisch.


Berlin, 2.5.39.
„Lieber Heini! Vielen Dank für die schöne Karte mit der Blumenuhr (floral clock). Sie ist sicher sehr schön und bunt. Wie gefällt Dir diese Karte? Hast Du Dich mit den Bildern gefreut, die ich Dir geschickt habe? Ich bin froh, dass Du so gern zur Schule gehst. Grüsse Onkel und Tante. Dir viele Grüsse von Omi, Nüppi, Tante Jordan und 1000 Küsse von Vati."


Diese Zeilen schrieb Max Lichtwitz einen Tag vor Kriegsausbruch. Zu diesem Zeitpunkt schrieb er an Heinz/Henry nur noch auf Englisch, da sein Sohn der deutschen Muttersprache nicht mehr mächtig war. Dies war die letzte Postkarte, die Max an seinen Sohn in Großbritannien schrieb.


Berlin, 31.8.39
„Mein lieber kleiner Henry!
Vati hat das Kabel von Onkel Morris bekommen, aber seit dem 14. August keinen Brief. Ich bin froh, dass Du wohlauf und glücklich bist. Ich hoffe, es wird nicht zum Krieg kommen. Falls er doch ausbrechen sollte, möge Gott Dich und Onkel und Tante segnen!
Mit vielen Grüssen an Onkel und Tante und vielen Küssen, Dein Vati."


5. November 1941
„Mein lieber Erwin!
Diesen Brief bitte ich als eine Art Abschiedsbrief aufzufassen, denn ich weiss nicht, ob ich überhaupt nocheinmal oder wann ich wieder dazu kommen werde, an Dich zu schreiben....Ich glaube, dass mein Heini gut aufgehoben ist und dass Foners für ihn in einer Art sorgen werden, wie es Eltern nicht besser tun können. Sprich auch ihnen, wenn es einmal am Platz sein wird, meine tiefe Dankbarkeit dafür aus, dass sie es meinem Kind ermöglicht haben, dem Schicksal zu entgehen, das mich ereilen wird....Sage ihm bitte später einmal, dass ich ihn nur aus tiefer Liebe und Sorge um seine Zukunft fortgegeben habe, dass ich ihn aber auf der anderen Seite Tag für Tag auf das Schmerzlichste vermisst habe und dass mein Leben seinen Sinn verloren hat, wenn es nicht noch einmal eine Möglichkeit geben sollte, ihn wiederzusehen."
Am 10.2.1942 vermerkte Max handschriftlich am Ende des Briefes: „Lieber Erwin! Dieser Brief blieb bis jetzt liegen. Inzwischen hat uns Otto im November verlassen und wir haben bis heute noch kein Lebenszeichen von ihm erhalten. Ich fürchte, daß es uns anderen auch bald ebenso ergehen wird. Lebe wohl. Dein Max."


Die Aufnahme stammt aus einem Fotoalbum, das die Eltern bei Heinz' Geburt angelegt hatten. Ilse Lichtwitz starb 1937.




Die Aufnahme stammt aus einem Fotoalbum, das die Eltern bei Heinz' Geburt angelegt hatten.


Auf der Seite des Fotoalbums steht neben dem Bild: „Abschied. 6 ¾ Jahre." Es ist das letzte Bild, das Max Lichtwitz von seinem Sohn machte (Februar 1939).
