Es Falt der Liber Vinter (Es kommt der liebe Winter)

Ein Lied aus dem Ghetto Lodz. 

Das Lied wurde 1946 durch die Zentrale Jüdische Historische Kommission in München aufgenommen. Geschrieben wurde es von Jankele Herschkowitz im Ghetto Lodz. In der vorliegenden Version singt Naphtali Friedmann vier Strophen mit Refrain.

Der Text des Liedes wurde 1994 in dem Buch „Der Gezang fun Lodzer Geto“ („Der Gesang des Ghettos Lodz“, S. 25-30) in einer Version mit elf Strophen veröffentlicht. In der vorliegenden werden die Strophen 1, 2, 4 und 5 gesungen. Eine kürzere Version erscheint auch in dem Buch „Singing for Survival“ („Singen, um zu überleben“, 1992, S. 85-88) von Gila Flam, die zwei Strophen und den Refrain des Liedes in Israel, wiedergegeben von Jakob Rotenberg, einem Überlebenden aus dem Ghetto Lodz, aufnahm.

Das Lied wurde offensichtlich 1940-41 geschrieben und beschreibt den ersten Winter im Ghetto. Bei Ankunft des Winters und der Kälte begannen die Bewohner, ihre Möbel zu zertrümmern, um sie zu Brennholz zu machen. Das Geld ging aus, und der Hunger begann zu nagen. Das Essen, das im Ghetto ausgeteilt wurde, bestand u.a. aus Graupen und Klopsen aus Pferdefleisch. Das Thema Pferdefleisch erscheint in einigen der Lieder aus dem Ghetto Lodz, weil es das halachische Problem des Einhaltens der religiösen Speisegesetze in lebensbedrohlichen Situationen aufwarf. Der Hunger ist groß, und wer nahe am Teller sitzt, an der „Versorgung“, isst besser. Die Zuteilung von 12 Mark Taschengeld reicht nicht aus, und alles, was man tun kann, ist zu warten und auf gute Neuigkeiten zu hoffen.

Der Refrain stellt die rhetorische Frage: Was können wir tun, Juden, wenn so die Zeiten sind? Die Melodie ist einem jiddischen Volkslied entlehnt, und wie in vielen Volksliedern „wandern“ die Strophen und können auch in anderen Liedern erscheinen.

S'falt der liber vinter,
S'khapt a shrek, a moyre.
Nisht keyn gelt un nisht keyn paltn,
S'makht zikh simkhes-toyre.
Kh'hob tsehakt di shenk shoyn
Mit di shvigers betn,
Kh'hob nor bloyz gehat af groypn
Un af ferds-fleysh kotletn.

Vos zol men tun yidn
Az es iz aza min klog.
Vos zol men tun, yidn
Broyt tsu esn yedn tog,
Az der mogn vil nisht visn
Fun keyn geto zakh,
Nor er shrayt un er farlangt
Tsu esn zeyer a sakh.

Mayns a shokhn arbet
In di aprovizatsie,
Ir darft zen bay im est men
A mitog mit a kolatsie.
Na beser tut men esn
Fish mit gute fleyshn,
Un af puter tut men dort
A hindele tsu reyshn.

Vos zol men tun yidn…

Mit di tsvelever markn
Iz dokh shver tsu lebn.
Me volt gedarft di tsvelever markn
Tsvey mol in der vokh tsu gebn
Biz me zet di gazhe
Glotst men mit di oygn,
Biz me zet dem posttreger
Vert men tsugetsoygn.

Vos zol men tun yidn

Holts iz an artikl,
Tayerer vi briliyantn,
S'raysn breter fun di pleter
Groyse fabrikantn.
Anshtot koyln vinter
Vet do zayn vigodes:
Vet men teyln fun vaser
Vos me nitst tsu liyades.