Der Novemberpogrom

„Der Schlag kam von innen"

Aufsätze für eine Thorarolle aus Nürnberg

DIE AUFSÄTZE (IM HEBRÄISCHEN „RIMONIM" - GRANATÄPFEL) wurden ursprünglich der orthodoxen Synagoge „Adass Jisroel" in der Essenweinstraße in Nürnberg von Bertha und Jakob Weinschenk aus Windsbach gestiftet.

Die Weinschenks, die bei der Gründung der Synagoge mitgeholfen hatten, stifteten Anfang des 20. Jahrhunderts das mit ihren Namen beschriftete Paar Rimonim. Auf jeder der Rimonim befindet sich eine deutsche Inschrift in gotischen Buchstaben: Gestiftet von Jakob & Bertha Weinschenk.

Bertha und Jakob hatten zwei Töchter, Pauline und Hannah. 1927 heiratete Hannah Jacob Bühler und sie bekamen zwei Kinder, Ilse und Ernst. Im Oktober 1938 gelang es Jacob Bühler, Deutschland nach Amerika zu verlassen. Im gleichen Jahr während des Novemberpogroms wurde die Synagoge zerstört und die Rimonim verschwanden spurlos.

Aus den Vereinigten Staaten organisierte Jacob Bühler Ausreisegenehmigungen für seine Frau und Kinder, die damals zusammen mit Bertha und Jakob in Nürnberg lebten. Jacob konnte für seine Schwiegereltern keine Ausreiseerlaubnis erwirken und sie wurden am 10. September 1942 von Nürnberg nach Theresienstadt deportiert. Jakob Weinschenk kam am 1. März 1943 in Theresienstadt ums Leben. Bertha, die in Theresienstadt ihren 75. Geburtstag feierte, überlebte die Shoah. In ihrem Zeitzeugenbericht erzählt sie, dass ein Nazi-Offizier in Theresienstadt Freiwillige bat, mit dem Zug in die Schweiz zu fahren. Sie und andere Gefangene gingen davon aus, dass es sich um eine weitere List der Nazis handelte, jedoch meldete sich Bertha trotzdem freiwillig. Zu ihrer Überraschung kam der Zug im Februar 1945 in St. Gallen in der Schweiz an und Bertha wurde mit ihrer Tochter in den Vereinigten Staaten wiedervereinigt. Ihre ältere Tochter Pauline, die in Frankreich lebte, überlebte mit ihrem Sohn Herbert den Krieg. Paulines Sohn Martin wurde 1942 in Auschwitz ermordet.

Erst 2003 traten die Rimonim wieder ans Licht, als der deutsche Judaica-Experte Ralf Rossmeisel die Rimonim von einem Entrümpelungsunternehmen erhalten hatte. Es stellte sich heraus, dass sie von einer deutschen Frau aufbewahrt worden waren, die in einer Metallschmelzerei in Fürth arbeitete. Sie identifizierte die Rimonim als jüdische heilige Gegenstände, nahm sie mit nach Hause und bewahrte sie bis zu ihrem Tod auf. Rossmeisel begann eine Suchaktion, um die Rimonim an ihre ehemaligen Besitzer zurückgeben zu können. Er machte die Nachkommen von Bertha und Jakob Weinschenk in den Vereinigten Staaten ausfindig und gab die Rimonim an die Familien Bühler und Simkowitz zurück. So gerieten die Rimonim zurück in den Besitz der Familie, die sie einige Jahre später der Synagoge von Yad Vashem spendete, als Symbol für die Fortsetzung des jüdischen Lebens im Land Israel.