Genia Rotenberg - Ein Mädchen des Kinderheims Blankenese

Genia wurde 1930 als Tochter von Fela-Ziporah und Hersch-Zwi Rotenberg im polnischen Łódź geboren. Sie hatte einen älteren Bruder namens Nachum-Natek (geb. 1925). Hersch war Zionist und in den Institutionen der jüdischen Gemeinde aktiv. Er betrieb eine Bäckerei, und Fela führte ein Kurzwarengeschäft. Herschs Schwester wanderte in den 1920er Jahren nach Eretz Israel (Britisches Mandatsgebiet Palästina) aus. Fela wollte sich nicht von ihren Eltern trennen, die bei ihr wohnten, so dass sie in Polen blieben. Sie lebten in einer christlichen Gegend und waren weltlich ausgerichtet, fühlten sich aber mit der jüdischen Tradition verbunden. Genia besuchte eine polnische Grundschule.

Am 8. September 1939 besetzten die Deutschen Łódź, und die Verfolgung der Juden der Stadt begann sofort mit Verhaftungen, Zwangsarbeit, Missbrauch und Demütigung. Auch Familie Rotenberg war betroffen. Ihr Haus wurde mehrfach geplündert, und einmal verfolgten die Deutschen Felas Vater Chaim Fuchs. Sie schlugen ihn, zwangen ihn, im Hof Sportübungen zu machen und zündeten seinen Bart an. Nach diesen Misshandlungen flohen Chaim, seine Frau Riwka und ihr Enkel Nachum zu Felas Bruder nach Grodno.

Am 22. September wurde Grodno von den Sowjets besetzt. Genia und ihre Eltern versuchten, in die von der Sowjetunion besetzte Zone zu flüchten und sich ihrer Familie in Grodno anzuschließen, aber die Sowjets erlaubten ihnen nicht, die Grenze zu überqueren, und sie kehrten nach Łódź zurück, flohen dann nach Warschau und wurden im Ghetto eingesperrt. Fela sorgte für Genias Erziehung und brachte sie für kurze Zeit in Janusz Korczaks Waisenhaus unter. Danach organisierten Fela und Hersch für Genia und zwei ältere Mädchen gegen Bezahlung ein Versteck außerhalb des Ghettos. Die Mädchen gelangten durch die Abwasserkanäle hinaus, wurden aber von den Menschen, die sie versteckten, misshandelt und stahlen sich zurück ins Ghetto.

Fela wurde im Ghetto ermordet, als sie in einer Schlange um Essen anstand. Genia und ihr Vater Hersch flohen aus dem Warschauer Ghetto und erreichten das Ghetto Piotrków Trybunalski. Hersch wurde einem Grabungsdienst zugewiesen, während Genia zur Zwangsarbeit in ein Lager geschickt wurde, wo Ausrüstung für die Wehrmacht hergestellt wurde. Während einer der Selektionen im Ghetto gelang es Hersch, Genia zur Männergruppe herüber zu ziehen und sie zu verstecken. Als sie in ein anderes Lager geschickt wurden, gelang es Hersch, Genia mitzunehmen und auf sie aufzupassen. Genia hielt sich in der Männer-Baracke versteckt, während deren Bewohner zur Arbeit gingen. Später wurde Hersch in das Konzentrationslager Skarżysko -Kamienna verlegt, während es Genia ins Konzentrationslager Ravensbrück verschlug. Von dort wurde sie mit einer Gruppe von Frauen nach Bergen-Belsen geschickt, wo sie in sehr schlechter Verfassung ankam. Dr. Ada Bimko (später Hadassa Rosensaft), eine im Lager inhaftierte jüdische Ärztin, kam ihr zu Hilfe und schaffte es, sie aus dem Appell herauszunehmen und sie in das Kinderhaus in Bergen-Belsen zu bringen, in dem sich hauptsächlich niederländische Kinder aufhielten.

Am 15. April 1945 befreiten die Briten Bergen-Belsen. Unter den Befreiten befanden sich rund 300 Kinder, darunter Genia. Nach der Befreiung wurden im DP-Lager Bergen-Belsen für die befreiten Kinder ein Kinderheim und eine Schule eingerichtet.

Eines Tages wurde Genia in die Büros des DP-Lagers vorgeladen. Sie erzählt:

„Ich hatte keinerlei Informationen über meinen Vater. Ich wusste nicht, wie ich ihn finden sollte. ... Ich hatte jemandem von der [jüdischen] Brigade erzählt, ich hätte einen Vater, eine Mutter und einen Bruder und wüsste nicht, was aus ihnen geworden sei. … Sie wollten nicht zu viele Fragen stellen, nur zuhören. Ich kam ins Büro. Ein Mann, den ich kaum erkannte, stürzte sich auf mich und weinte - das war mein Vater. Er sah vollkommen verändert aus. Er war sehr dünn und weinte sehr. Einerseits war er glücklich, mich anzutreffen, aber er war auch schrecklich traurig.

Mein Vater hatte einen verstorbenen Bruder in den USA, und dort gab es eine Schwägerin, eine ganze Familie in New York, und sie wollten sehr, dass wir kommen. … Vater kam und sagte mir, er wollte, dass wir nach Amerika reisen. Ich sagte ihm, dass ich nicht nach Amerika gehen, sondern bei meinen Freunden bleiben würde. … Ich wollte nicht gehen. Ich wollte nach Eretz Israel. … Es war schwer für mich. … Die Betreuer beruhigten ihn.”

Im Januar 1946 wurde Genia zusammen mit einer Gruppe von Kindern, Lehrern, Betreuern und Pflegerinnen in das Kinderheim in Blankenese, einem Vorort von Hamburg am Ufer der Elbe, gebracht. Im April wanderte Genia mit einer Gruppe von Kindern und Betreuern aus Blankenese auf der „Champollion" nach Eretz Israel aus. Sie gehörte zu der Gruppe, die sich im Kibbuz Kirjat Anavim niederließ, wo sie sich freiwillig zur Arbeit im Kuhstall meldete und sich dem Palmach anschloss.

„Ich bekam ein italienisches Gewehr, das größer war als ich. Wir leisteten in Schichten im Kibbuz Wachdienst, und in einem der Gefechte wurde einer aus unserem Freundeskreis getötet und ein anderer schwer verwundet", erinnert sich Zehava an ihre Kibbuz-Tage. Ungefähr ein Jahr später wanderte ihr Vater nach Eretz Israel ein. Ihr Bruder Nachum und die Eltern ihrer Mutter Fela waren im Holocaust ermordet worden. Die Todesumstände waren unbekannt.

1948 verließ Zehava den Kibbutz. Sie lernte auf einer Schwesternschule und heiratete Shaul Shamir, mit dem sie drei Kinder bekam.

1999 reichte Zehava Shamir Gedenkblätter zur Erinnerung an ihre Mutter und ihren Bruder, Fela und Nachum Rotenberg, sowie ihre Großeltern Riwka und Chaim Fuchs ein. Im Jahr 2015 spendete Zehava im Rahmen des Projekts „Die Scherben einsammeln“ ("Gathering the Fragments") Dokumente und Fotografien an Yad Vashem, die zum Teil in dieser Ausstellung gezeigt werden, sowie ein kleines Poesiealbum mit Widmungen, die ihr Freunde, Lehrer, Angehörige der Jüdischen Brigade, Pflegerinnen in Bergen-Belsen und im Kinderheim in Blankenese schrieben.