„Vergiss-mein-nicht"- Poesiealben von Kindern aus der Zeit des Holocaust

Wie Erika Hoffmanns Poesiealbum gefunden wurde


Jaap Spruyt, der Enkel Maria Stolkers, einer Gerechten unter den Völkern, die Corries Schwägerin war, übergab Yad Vashem zwei Poesiealben mit Albumsprüchen für Erika von Freunden und Verwandten aus den Jahren 1938 bis 1942.

2007 besuchten Maria Sofia Martina Spruyt und ihre Angehörigen Yad Vashem. Martina ist die Tochter der Gerechten unter den Völkern Sandor und Maria Stolker. Als sie sich im Kinderdenkmal aufhielten, in dem der eineinhalb Millionen jüdischer Kinder gedacht wird, die im Holocaust ermordet wurden, erklang in einer Aufnahme im Hintergrund der Name „Erika Hoffmann“. Aufgewühlt erzählte Martina ihren Verwandten, sie habe Erika, ein jüdisches Mädchen, das bei ihrer Tante Corrie Stolker versteckt gewesen sei, gekannt. Sie erzählte von den Poesiealben, die bei Corrie zurückgeblieben, ihren Eltern übergeben worden und in ihre Hände gelangt waren. Nach Holland zurückgekehrt, suchten sie zu Hause danach, doch vergebens. Nach Martinas Tod fand ihr Sohn Jaap Spruyt die Alben unter ihren Sachen und übergab sie Yad Vashem, „in der Hoffnung, dass in Yad Vashem Verwandte von Erika ermittelt werden können“, schrieb er.

Die erste Widmung im Poesiealbum schrieb der siebenjährigen Erika am 2. Juli 1938 ihre Lehrerin Isabelle Wels-Colloredo in Purgstall (Österreich). Die letzte Widmung an Erika verfasste deren Freundin Ingrid Lesser am 2. Juli 1942 in Soest, Niederlande.

Erika Hoffmann

Erika Hoffmann wurde 1931 in Wien geboren. Ihre Eltern Kurt und Margrit waren aus Purgstall (Österreich) gebürtig.

Anfang 1939, nachdem sie Einreisegenehmigungen nach Argentinien bekommen hatten, verließen die Hoffmanns Österreich gemeinsam mit Margrits Eltern, dem Arzt Dr. Baruch Kohn und seiner Frau Mathilde, und Margrits unverheirateter Schwester Elisabeth. Unterwegs machten sie Halt in Paris. Kurt erkranke, wurde ins Krankenhaus eingeliefert und blieb anscheinend dort. Die Familie zog weiter nach Holland und wartete darauf, dass Kurt sich erhole und ihnen anschlösse. Sie hielten sich in Rotterdam auf, doch im Oktober 1940, einige Monate nach der Besetzung Hollands durch Nazi-Deutschland, ließen sie sich gemeinsam mit Dutzenden jüdischer Flüchtlinge, die aus der Küstengegend gebracht worden waren, in dem Dorf Doorn nieder, wo man sie in einem Altersheim unterbrachte. Die Ortsverwaltung identifizierte sich mit dem Schicksal der verfolgten Juden und versuchte, ihre Situation zu erleichtern. Dr. Kohn befreundete sich mit einem der Bewohner des Heims, dem protestantischen Pfarrer Gerard Wisse. In seinen Memoiren, die er nach dem Krieg verfasste, erzählte Wisse, Kohn habe auch in Doorn seine religiöse Lebensführung beibehalten und sie hätten manchmal gemeinsam gebetet und Psalme gelesen. Erika, erzählte Wisse, habe besonders an seiner Frau gehangen und sei oft schon frühmorgens im Nachthemd zu ihnen gekommen, um sich von seiner Frau Geschichten erzählen zu lassen. Wisse und seine Frau verließen den Ort. Als sie 1943 zurückkehrten, waren Erika und ihre Familie bereits nicht mehr dort.

Anscheinend hielt sich Erika in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 im Haus Cornelia Stolkers in Doorn versteckt, kehrte aber nach einiger Zeit zu ihrer Familie zurück.

Im April 1943 wurden Erika, ihre Mutter, ihr Großvater, ihre Großmutter und ihre Tante gefasst und ins Lager Westerbork verschickt, von wo aus sie am 4. Mai 1943 ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und umgehend ermordet wurden. Der Vater Kurt war nicht unter den Deportierten. Über sein Schicksal ist nichts bekannt.